Versicherungsverträge - Phase 2 [Unterrichtseinheit]
Helmut Perlet (Vertreter des CFO-Forums), Jerry de St. Paer (Vertreter der Gruppe nordamerikanischer Versicherungen – Group of North American Insurance Enterprises (GNAIE)) und Masaaki Yoshimura (Vertreter der vier größten japanischen Lebensversicherer) präsentierten eine Zusammenstellung der Empfehlungen, die die drei Organisationen hinsichtlich der Fortentwicklung des Bilanzierungsmodells für Versicherungen ausgearbeitet haben.
Die Vertreter gaben eine kurze Einleitung, in der sie die Rolle der Versicherungen in einer Volkswirtschaft darstellten und auf ihre Ziele bei der Entwicklung eines weltweiten Rechnungslegungsstandards eingingen. Nachfolgend fassten sie ihre Vorschläge zusammen, welche bereits im Juni 2006 der Arbeitsgruppe für Versicherungen (Insurance Working Group) vorgestellt worden waren.
Nachfolgend gehen wir auf die Vorschläge ein, die Gegenstand von Diskussionen im Board waren. Eine umfassende Liste der Vorschläge der Versicherungsindustrie findet sich in den "Observer Notes", die über die IASB-Website zu beziehen sind.
Zugangsbewertung
Die Versicherungsindustrie schlägt vor, dass keine Gewinne oder Verluste bei der erstmaligen Bewertung entstehen sollen.
Der Board stellte klar, dass dies im Widerspruch zur vorläufigen Entscheidung des Boards steht, dass Gewinne oder Verluste zu Anfang entstehen können, wenn das Versicherungsunternehmen einen Fehler bei der Bewertung der Verträge begangen hat.
Verbindlichkeitsbewertung
Helmut Perlet erklärte die Sichtweise des CFO-Forums, wonach eine Verbindlichkeit sowohl bei Lebensversicherungen als auch bei Nicht Lebensversicherungen abgezinst sollte, um den Barwert der zukünftigen Cashflows einschließlich von Abschlägen für inhärente Risken und Unsicherheiten darzustellen.
Auf der anderen Seite ist GNAIE der Meinung, dass Lebensversicherungen und Nicht-Lebensversicherungen grundlegende Unterschiede aufweisen, die sich in einer unterschiedlichen Bewertung widerspiegeln sollten. Für die meisten Nicht-Lebensversicherungen würde es schwierig sein, vorherzusagen, ob Verluste anfallen werden, wann sie anfallen werden oder welcher Betrag, an den Versicherungsnehmer zu zahlen wäre. Ihr Widerspruch hinsichtlich des Veräußerungspreis-Modells, welches der Board favorisiert, basiert auf der Ansicht, dass dieser Wert nicht verlässlich ermittelt werden kann, da es keinen aktiven Markt für Nicht-Lebensversicherungen gibt, von dem die Werte abgeleitet werden könnten. Jerry de St. Paer führte aus, dass die Abzinsung solcher Verträge in vielen Fällen ein zusätzliches Element der Unsicherheit zu der Verbindlichkeitskomponente hinzufügen würde, und dass dies zu nicht vergleichbaren und im Allgemeinen weniger nützlichen Abschlüssen führen würde.
Mitglieder des Boards kommentierten das von GNAIE vorgestellte Modell. Viele der Board-Mitglieder sagten, dass dies auf für sie wie ein Schritt rückwärts im Vergleich zu dem Bewertungsmodell für kurzfristige Verbindlichkeiten, welches auf dem Veräußerungspreis und dem Rahmenkonzept basiert, wirkt. Es wurde angemerkt, dass das von GNAIE präsentierte Modell konzeptionell nicht im Einklang stehen würde mit dem derzeitigen Modell, dass auf Pensionen gemäß IAS 19 oder auf Verbindlichkeiten, die nach IAS 37 bewertet werden, angewendet wird.
Getrennter immaterieller Vermögenswert
Die Versicherungsindustrie ist der Meinung, dass zusätzlich zu einem immateriellen Vermögenswert, der zukünftige Zahlungen repräsentiert, die der Versicherungsnehmer zu leisten hat, um das Recht auf Versicherungsschutz zu haben, ein weiterer getrennter immaterieller Vermögenswert angesetzt werden sollte, der die Akquisekosten des Versicherungsvertrages repräsentiert.
Mitglieder des Boards hatten Schwierigkeiten, dieser Argumentation zu folgen. Diese würde es zulassen, dass zwei unterschiedliche immaterielle Vermögenswerte anzusetzen sind, obwohl die Police nur einen Zahlungsstrom generiert.
Aufspaltung (Unbundling)
Die Versicherungsindustrie schlägt vor, dass kein impliziter finanzieller oder nicht-finanzieller Vertrag abgespalten werden sollte, da die Versicherungsnehmer Versicherungsverträge als ein Produkt betrachten würden. Die Aufspaltung der Verträge würde erhebliches Einschätzungsvermögen verlangen. Zudem wird sie als unnötig betrachtet, da die Industrie alle Komponenten eines Vertrages auf einer aggregierten Grundlage bewertet.
Die Board-Mitglieder diskutierten kurz darüber. Einige hinterfragten, ob eine Aufspaltung für den Fall, in dem ein Unternehmen über mehr als eine Komponente verfügt, unterschiedliche Gewinnmargen verschleiern könnte.
Versicherungsverträge mit Überschussbeteiligung
Der Vorschlag der Versicherungsindustrie besteht darin, dass Verbindlichkeiten die besten Schätzwerte des zukünftigen Nutzens der Versicherungsnehmer widerspiegeln sollten. Dieses sollte auf Annahmen basieren, die widerspiegeln sollten, was den Versicherungsnehmern aus dem Versicherungsvertrag zufließen wird. Es wurde außerdem angemerkt, dass sich Zahlungen an einen Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Dividenden, grundlegend unterscheiden würden von Dividenden, die an Eigenkapitalgeber gezahlt werden. Daher sollten erstere nicht im Eigenkapital erfasst werden, da das Versicherungsunternehmen sich entscheiden könnte, den Versicherungsnehmer zu bezahlen, ohne den Eigenkapitalgeber zu bezahlen.
Der Board untersuchte den Vorschlag der Branche, um zu nachvollziehen zu können, wie die Verbindlichkeit bewertet wird. Basierend auf den Erklärungen der Teilnehmer aus der Versicherungswirtschaft ist die Bewertung der Verbindlichkeit davon abhängig, was das Versicherungsunternehmen bereit wäre dem Versicherungsnehmer zu bezahlen, und nicht was das Versicherungsunternehmen vertraglich verpflichtet ist, zu bezahlen. Dies unterscheidet sich von der vorläufigen Entscheidung des Boards, wonach der Teil der Verbindlichkeit, der sich nicht aus der unabdingbaren Verpflichtung ergibt, im Eigenkapital erfasst werden sollte.