Bedenken der EZB in Bezug auf den beizulegenden Zeitwert und Konvergenz

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28.04.2010

Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), sprach bei einer Konferenz In Paris am 27. April 2010 zu dem Thema Elemente für eine Intervention bei Bilanzierungsfragen.

Die vollständige Rede in englischer Sprache finden Sie hier. Nachfolgend übersetzen wir einige Auszüge für Sie, in denen Frau Tumpel-Gugerell die Sichtweise der EZB in Bezug auf die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, Wertminderung und Konvergenz darstellt.

Bewertung zum beizulegenden Zeitwert

Zuerst einmal bietet die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert unserer Meinung nach keine entscheidungsnützlichen Informationen für Anleger, wenn ein Unternehmen die Absicht hat, die Vermögenswerte bis zu ihrer Fälligkeit zu halten bzw. die Schulden zu ihrem Nominalbetrag zum Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen. In diesen Fällen erhöht der Ansatz des zwischenzeitlichen beizulegenden Zeitwerts nur die Volatilität der Abschlüsse, ohne tatsächlich Informationsgehalt zu bieten. Dies ist typischerweise der Fall beim Kreditbuch von Handelsbanken.

Darüber hinaus stimmt die EZB nicht zu, dass ein Unternehmen einen Gewinn zu verzeichnen hat, wenn der beizulegende Zeitwert seiner eigenen Schulden aufgrund einer Abnahme seiner Kreditwürdigkeit fällt. Die Begründung dafür ist, dass ein Unternehmen seine Schulden zurückkaufen und den Gewinn realisieren könne. In der Realität jedoch und insbesondere in schwierigen Zeiten hat ein Unternehmen nicht die zusätzlichen Mittel frei verfügbar, um seine Schulden zurückzukaufen...

Zweitens bietet die Bilanzierung zum beizulegende Zeitwert in ihrer Anwendung bestimmt praktische Herausforderungen, insbesondere wenn die Märkte illiquide werden und verlässliche Marktpreise nicht länger verfügbar sind. Was ist der Zweck einer Marktbewertung, wenn es keinen Markt gibt? Die Relevanz und Verlässlichkeit von Zeitwerten, die auf Marktpreisen basieren, erfordern einen funktionierenden Markt, bei dem die Preise angemessen die zugrundeliegenden fundamentalen Merkmale des Finanzinstruments widerspiegeln. Wenn der Markt bedeutend gestört ist, kann die Verwendung von Marktwerten absolut bedeutungslos sein...

Daher ist die EZB der Meinung, dass eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert nur dann gefordert werden sollte, wenn sie im Einklang mit dem Geschäftsmodell des Instituts steht und die Merkmale des bestimmten zugrundeliegenden Vermögenswerts oder der entsprechenden Schuld angemessen widerspiegelt.

Wertminderung von finanziellen Vermögenswerten

Die Vorsorgepraxis vor der Krise verzögerte den Ansatz von Kreditverlusten, die Krediten innewohnen. Die Bilanzierungsregeln fordern ein bestimmtes auslösendes Ereigniswie beispielsweise einen Zahlungsausfall, bevor einem Unternehmen gestattet wird, Vorsorge für Kreditverluste zu treffen. Als Ergebnis häufen sich normalerweise Abschreibungen bei schweren Abschwüngen, wenn die den Krediten inhärenten Kreditverluste tatsächlich zutage treten, was den Druck auf das Finanzsystem vergrößert.

Daher sollte eine stärker zukunftsgerichtete Vorsorgeregelung entwickelt werden. Dies war auch eine Empfehlung der Führer der G-20. In diesem Zusammenhang begrüßt die EZB den neuesten Vorschlag des IASB in Bezug auf einen Ansatz über erwartete Kapitalflüsse. Trotz einiger praktischer Herausforderungen, die gelöst werden müssen, bevor der Ansatz endgültig übernommen wird, erlaubt er eine zeitnähere Erfassung von erwarteten Kreditverlusten und trägt dadurch dazu bei, Prozyklizität zu mindern. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass der Basler Ausschuss kürzlich einen Ansatz entwickelt hat, der darauf abzielt, die Komplexität des IASB-Ansatzes zu reduzieren. Die EZB fordert den IASB auf, mit dem Basler Ausschuss zusammenzuarbeiten, damit eine anwendbare Lösung für eine stärker zukunftsgerichtete Vorsorgeregelung entwickelt werden kann.

Dies ist auch ein gutes Beispiel für einen Fall, in dem die Ziele hochwertiger Bilanzierung und der Schutz der finanziellen Stabilität einander ergänzen.

Lassen Sie mich in diesem Sinne unterstreichen, dass die EZB die Arbeit des IASB anerkennt und den Fortschritt begrüßt, der im Rechnungslegungsrahmen erzielt wurde. Wir freuen uns darauf, den intensiven Dialog mit dem IASB während der verbleibenden Phasen des Projekts zu Finanzinstrumenten und in anderen Bilanzierungsbereichen fortzusetzen, die aus regulatorischer Sicht wichtig sein können.

Konvergenz

Aus all diesen Gründen begrüßt die EZB die fortgesetzten Bemühungen der Rechnungslegungsstandardsetzer, als direkte Antwort auf die Aufforderung der G-20 vollständig kompatible, hochwertige Bilanzierungsstandards zu erzielen. Wir sind jedoch besorgt, zu hören, dass der FASB und der IASB noch immer weit davon entfernt sind, Einigkeit bei den wichtigsten Bilanzierungskonzepten wie beispielsweise der Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten zu erzielen. Der IASB hat ein gemischtes Bewertungsmodel bestätigt, nach dem Finanzinstrumente sowohl zu fortgeführten Anschaffungskosten als auch zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden. Im Gegensatz dazu ist der US-amerikanische Standardsetzer FASB entschlossen, sich auf ein Modell der vollen Fair-Value-Bilanzierung zuzubewegen, und behauptet, dass nur der beizulegenden Zeitwert entscheidungsnützliche Informationen für Anleger bietet.

Ich habe bereits in meine Intervention angesprochen, wie die Finanzmarktkrise die Fehler bei dieser Bewertung deutlichst gezeigt hat und wie unter bestimmten Umständen, nämlich wenn die Märkte gestört sind, eine vollständige Anwendung der Fair-Value-Bilanzierung auf die Abschlüsse im Bankensektor Bedenken hinsichtlich der finanziellen Stabilität aufkommen lässt und keine entscheidungsnützlichen Informationen für Anleger bietet.

Ich möchte noch einmal betonen: Die EZB ist strikt gegen einen Ansatz, der vollständige Fair-Value-Bilanzierung vorsieht. In diesem Zusammenhang sollte Konvergenz nicht um den Preis von hochwertigen Rechnungslegungsstandards erzielt werden.

Schließlich möchte ich vor dem Hintergrund der jüngsten Beteuerungen von IASB und FASB, dass der Konvergenzzeitplan eingehalten werden kann, sagen, dass wir nicht so optimistisch sind. In dieser Hinsicht würde die Einsetzung eines Überleitungsmechanismus, der einfach die Zahlen zum beizulegenden Zeitwert und zu fortgeführten Anschaffungskosten für jede Ausweiszeile der Bilanz vorsieht, nicht das Ziel einer Harmonisierung erfüllen.

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