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07.07.2016

Am 6. Juli 2016 hat die Europäische Beratungsgruppe zur Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group, EFRAG) mit einer feierlichen Veranstaltung und verschiedenen fachlichen Gesprächsrunden das 15-jährige Bestehen der Organisation gefeiert und die neue Führungsspitze vorgestellt: Jean-Paul Gauzès als neuer EFRAG-Präsident und Andrew Watchman als Vorsitzender des Fachexpertenausschusses TEG und CEO von EFRAG. Unsere Mitschrift von der Veranstaltung, bei der es verschiedene Ansprachen und Gesprächsrunden gab, ist jetzt verfügbar.

Mit Hilfe der nachfolgenden Verknüpfungen können Sie zu den Mitschriften der einzelnen Veranstaltungspunkte springen. Oder Sie können einfach in chronologischer Reihenfolge weiterlesen.

 

Begrüßungsansprache

In seiner Begrüßungsansprache gab Watchman, der erst vor drei Monaten zum TEG-Vorsitzenden gewählt wurde, einen kurzen Überblick über die Geschichte von und jüngste Entwicklungen bei EFRAG. Er führte in das Programm für den Nachmittag ein, das dem Thema 'EFRAG auf dem Weg vorwärts' gewidmet war, und erklärte, dass die Themen der Podiumsdiskussionen bereits andeutenden würden, in welchen bereichen sich EFRAG in der Zukunft bewegen könnte. Die Podiumsdiskussion zu Auswirkungsanalysen zeige beispielsweise, dass EFRAG sich bisher im Wesentlichen bei den Übernahmeempfehlungen auf fachliche Beurteilungen gestützt habe, während man jetzt eine breitere Sichtweise einnehmen und auch eine Ansicht dazu äußern würde, ob ein Standard dem öffentlichen Interesse in der EU diene. Bei der zweiten Posiumsdiskussion würden die Finanzberichterstattungsbedürfnisse von kleineren börsennotierten Unternhemen erörtert, einem wichtigen Thema in Europa und darüber hinaus, das im Kontext der europäischen Kapitalmarktunion aufgekommen ist. Zum Abschluss seiner Einführung sprach Watchman über die beziehung von EFRAG zum IASB:

Ich würde auch noch kurz darüber sprechen wollen, wie EFRAG beabsichtigt, die Entwicklung der IFRS zu beeinflussen. In meinen ersten Tagen bei EFRAG habe ich es sehr genossen, viele unserer Anwender zu treffen, und einige haben gefragt, ob ich erwarte, dass EFRAG eine agressivere Haltung gegenüber dem IASB einnimmt. Lassen Sie mich sagen, dass ich das ganz und gar nicht so sehe. […] EFRAG hat gezeigt, dass wir einen starken Einfluss ausübern können und werden, wenn ein Sachverhalt von dringender Bedeutung für Europa ist. […] Aber der Einfluss von EFRAG entsteht im Wesentlichen aus unserer fortlaufenden, konstruktiven Teilnahme an der Debatte: unseren Stellungnahmen, unserer proaktive Arbeit und unserem täglichen Austausch mit dem IASB.

 

Festansprache

Als Ergebnis des jüngst erfolgten EU-Referendums in Großbritannien und der Entscheidung des EU-Kommissars Lord Hill, von seinem Posten zurückzutreten, wurde die Festansprache der EU-Kommission von Matthew Baldwin gehalten, dem Kabninettsleiter des Kommissars. Baldwin blickte ebenfalls auf die Geschichte zurück und hielt mit Stolz fest, dass die Entscheidung im Jahr 2001, die Anwendung der IFRS für alle börsennotierten Unternehmen, die an regulierten Märkten in der EU notiert sind, vorzuschreiben, die EU zu einem Vorreiter in der IFRS-Bewegung zu machen. Er bezeichnete die Erfahrung als eine gute und verwies darauf, dass die IAS-Evaluierung durch die EU-Kommission ergeben habe, dass die IFRS tatsächlich dem öffentlichen Interesse in der EU dienten. In die Zukunft blickend hielt Baldwin fest, dass die Kommission EFRAG nun ausdrücklich aufgefordert hat, Auswirkungsanalysen neuer Standards oder Änderungen von Standards in die Erwägungen in Bezug auf die Empfehlung der Übernahme aufzunehmen, wobei IFRS 16 Leasingverhältnisse das erste Beispiel sein soll. Er erwähnte auch, dass er sich eine bessere Vertretung aller Mitgliedstaaten in EFRAG wünsche, insbesondere aus dem Osten und Süden.

 

"Testen Sie Ihr Wissen in Bezug auf EFRAG nach der Maystadt-Reform"

In etwas lockerer, aber dennoch ernster Weise trug die frühere TEG-Vorsitzende Françoise Flores bei und prüfte die Kenntnisse des Publikums hinsichtlich der Auswirkungen der Maystadt-Reform auf EFRAG-Gremien und -Aktivitäten. Themen ihrer Fragen waren die Zielsetzung der Maystadt-Reform, die wesentlichen Änderungen, die umgesetzt wurden, das konsensbasierte Modell und die Rolle von TEG. Die letzte Frage, die Flores dem Publikum stellte, war keine Frage, bei der es um richtig oder falsch ging. Vielmehr galt die Frage einer Priorität für EFRAGs nächste Strukturänderung Folfende Antworten wurden angeboten:

  • EFRAG sollte seine Mitgliedschaft ausweiten und eine bessere Vertretung aller Mitgliedstaaten und Interessengruppen erreichen. 29% des Publikums war der Meinung, dass dies die wichtigste Option sei.
  • EFRAG sollte die Sichtbarkeit der Organisation und ihrer Tätigkeit verbessern. Dies sahen 33% des Publikums als höchste Priorität an.
  • EFRAG sollte den Frauenanteil erhöhen (nur 2 EFRAG-Boardmitglieder sind weiblich, TEG ist rein männlich besetzt). 12% des Publikums sahen dies als hochwichtig an.
  • EFRAG sollte den Zuständigkeitsbereich auf die allgemeinere Unternehmensberichterstattung und/oder kleine und mittelgroße Unternehmen ausweiten. Für diese Option stimmten 26% des Publikums.

 

Podiumsdiskussion “Entwicklung von Auswirkungsanalysen für IFRS”

Die Podiumsdikussion zum Schwerpunkt, dem Nutzen und den Herausforderungen von Auswirkungsanalysen wurde von Claes Norberg, dem derzeitigen kommissarischen stellvertretenden Präsidenten des EFRAG-Board geleitet. Mitglieder des Podiums waren Hans Hoogervorst, Vorsitzender des IASB, Erik Nooteboom, Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (FISMA) der EU-Kommission, Kris Peach, Vorsitzende des australischen Standardsetzer AASB, Patrick de Cambourg, Mitglied des EFRAG-Boards und Vorsitzender der französischen Standardsetzers ANC sowie Prof. Dr. Joachim Gassen, Humboldt-Universität zu Berlin. Sie erörterten, von welcher Bedeutung Auswirkungsanalysen im Standardsetzungsprozess sind, auf welcher Ebene sie durchgeführt werden sollten, wie Kosten und Nutzen analysiert werden können und andere Aspekte des Themas. Hoogervorst wies darauf hin, wie wichtig es sei, Probleme und mögliche Lösungen schon von Anfang an zu analysieren, wobei soweit wie möglich auf verfügbare Daten zurückgegriffen werden sollte, um zu vermeiden, unmögliche Projekte auf die Agenda zu nehmen, Projekte auf halber Strecke aufgeben zu müssen und in zu viele Richtungen gleichzeitig vorwärts kommen zu wollen. Er stimmte Nooteboom zu, dass Auswirkungsanalysen ein fortlaufender Prozess sein müssen, um Projekte in der Spur zu halten und dass Auswirkungsanalysen nach Fertigstellung eines Standards (die Überprüfung nach der Einführung von Standards durch den IASB) unabdingbar seien. Nooteboom erläuterte, dass die Optionen des IASB infolge von Auswirkungsanalysen, die auch die Änderung der Projektausrichtung beinhalten, andere sind, als der EU nach Auswirkungsanalysen im Rahmen von Übernahmeerwägungen zur Verfügung stehen. In der EU seien die einzigen Optionen Übernahme oder Nichtübernahme. Peach stimmte dem zu und verwies darauf, dass in Australien die Nichtübernahme als die "Atombombenoption" betrachtet wird, da Standards keine eigenständigen Produkte sind, sondern immer Teil des größeren Rahmenkonzepts, das IFRS heißt. Und während die ganz deutlich zum Ausdruck brachte, dass die IFRS in Australien nicht nur auf Gegenliebe treffen, sagte sie auch, dass es einfach keine Alternative gäbe. Sie sprach sich daher dafür aus, schon früher zur Arbeit des IASB beizutragen, um sicherzustellen, dass das Produkt, was man nachher zur Übernahme vorgelegt bekomme, auch eines sei, das man akzeptieren könne. Gassen brachte die Diskussion näher zur Ausgangsebene und auf einen wissenschaftlichen Aspekt zurück. Insbesondere unterschied er klar zwischen einer Analyse der möglichen Auswirkungen (effect analysis) und einer Beurteilung der tatsächlichen Auswirkungen (impact assessment). Er machte such deutlich, dass dies Kostenseite der Beurteilung (Umsetzungskosten) viel früher beantwortet und mit den entsprechendnen Daten quantifiziert werden kann. Die Nutzenseite, also Vergleichbarkeit und Transparenz, sei sehr viel schwerer zu beurteilen und werde es zu einem späteren Zeitpunkt sichtbar. Gassen fügte auch hinzu, dass die Beantwortung der Frage, ob Kosten und Nutzen auf Standardebene beurteilt werden können, sehr stark davon abhänge, was man bemessen wolle. "Öffentliches Interesse" könne nicht auf Standardebene beurteilt werden, aber ein Einzelaspekt wie beispielsweise die Auswirkung von IFRS 16 auf Geschäftsmodelle in der Leasingbranche könne sehr wohl auf Standardebene bemessen werden.

 

Gespräch zu EFRAGs Geschichte, Gegenwart und Zukunft

In der Unterhaltung mit Stig Enevoldsen, dem ersten EFRAG-Vorsitzenden, und Andrew Watchmen, dem neu ernannten Vorsitzenden von TEG, fragte Peter Walton nach den guten Dingen, die in der Vergangenheit erzielt worden sind, und den guten Dingen, die noch kommen würden. Enevoldsen betonte als eine wirklich wesentlichen Errungenschaften der Vergangenheit der Erfindung der Stellungnahmeentwürfe von EFRAG, die dazu beigetragen haben, EFRAG zu einer einflussreichen Stimme in der Welt der internationalen Rechnungslegung zu machen, indem eine gründliche fachliche Analyse zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb der IASB-Konsultation öffentlich zur Verfügung gestellt wird. Er erwähnte auch die proaktive Arbeit von EFRAG, das erhöhte Budget und die verbesserte Finanzierung, die EFRAG von ursprünglich vier Mitgliedern ohne Stab auf die heutige Schlagkraft haben anwachsen lassen, und die Maystadt-Reform, die zu einem besseren Ausgleich von regionalen und nationalen Interessen geführt habe. Watchman sah eine bessere Mischung von geografischen Hintergründen und eine bessere Ausgewogenheit der Geschlechter als eins seiner Ziele. Er betonte auch die bereits aufgenommene engere Zusammenarbeit mit anderen Standardsetzern außerhalb der EU und erwähnte Projekte mit dem FASB und dem ASBJ und erste Gespräche mit dem KASB als Beispiele. Er gab auch der Hoffnung Ausdruck, noch enger mit den nationalen Standardsetzern in Europa zusammenzuarbeiten und sie noch enger in die Arbeit von EFRAG einzubinden.

 

Podiumsdiskussion “Finanzberichterstattung durch kleine börsennotierte Unternehmen”

Die Podiumsdiskussion zum Nutzen und den Herausforderungen von IFRS-Abschlüssen für kleine börsennotierte Unternehmen wurde von Olivier Boutellis-Taft geleitet, CEO von FEE. Mitglieder des Podiums waren Michel Prada, Vorsitzender der Treuhänder der IFRS-Stiftung, Valérie Kinon, assoziierte Partnerin bei Clairfield Benelux, Roger Marshall, früherer kommissarischer Präsident des EFRAG Boards und Vorsitzender des FRC-Beirats, Peter Malmqvist, Vorsitzender der schwedischen Vereinigung der Finanzanalysten und der TEG-Vositzende Andrew Watchman. Die Diskussion um die Frage, ob kleinere börsennotierte Unternehmen im Vergleich zu größeren Unternehmen vereinfachte Rechnungslegungsstandards anwenden sollten (also nicht die vollen IFRS), startete etwas zögerlich: Die Beteiligten schilderten die Erfahrungen mit Abschlüssen kleinerer Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven: Beraterin, Analyst, Standardsetzer. Man war sich einig, dass eine stärkere Harmonisierung das Leben aller Beteiligten einfacher machen würde, aber ob diese Harmonisierung freiwillig sein sollte, wie weit sie gehen sollte und ob die IFRS der gemeinsame Rahmen sein sollten, wurde offen gelassen. Ein Einwurf aus dem Publikum machte die Diskussion jedoch sehr lebhaft, und es gab fast emotionale Beiträge vom Podium und aus dem Publikum. Am eindringlichsten war Pradas unbedingtes Eintreten für die IFRS. Sein mehrere Male widerholtes Argument war, dass die IFRS nicht komplex seien, es seien die Geschäftsmodelle, die die Rechnungslegung komplex machten. Ein einfaches Geschäftsmodell mache die Anwendung komplexer Rechnungslegungslösungen unnötig. Die vollen IFRS würden sich selbst mit abnehmender Größe des Unternehmens und reduzierter Komplexität des Geschäftsmodells aller Komplexität entledigen. Er war auch nicht der Meinung, dass es im Rahmen der Kapitalmarktunion so etwas wie ein nicht international tätiges Unternehmens geben könne. Früher oder später würde nach Meinung von Prada ein Unternehmen ausländische Investitionen anziehen. Deshalb sollte von Anfang an ein harmonisiertes System von Rechnungslegungsstandards gewählt werden und "die besten sind IFRS". Er warnte auch davor, die IFRS für Anlagen, die nicht den erwarteten Ertrag bringen, verantwortlich zu machen: "Rechnungslegung bietet nicht alle Informationen, die notwendig sind, um Anlangeentscheidungen zu treffen.” Nach solch glühenden Aussagen gab es wenig zu erwidern. Die Mitglieder des Podiums waren sich einig, dass die IFRS der "Rolls Royce der Rechungslegung" seien, und in einer letzten Runde von Anmerkungen wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Fortschritte in der digitalen Berichterstattung vielleicht irgendwie dazu führen könnten, dass die Anwendung der vollen IFRS für kleine Unternehmen dadurch einfacher werden könnte, dass sich das rote, grüne oder blaue Buch von selbst der Vorschriften entledigen, die von den kleinen Unternehmen nicht benötigt werden. Marshall gab sogar zu erkennen, dass selbst Großbritannien, das seine lokalen Rechnungslegungsstandards neuerdings auf dem IFRS für KMU aufbaut, am Ende bei den vollen IFRS landen könne.

 

Schlussansprache

Gauzès, der erst vor fünf Tagen zum EFRAG-Präsidenten gewählt wurde, schloss die Sitzung. Seine wesentlichen fachlichen Anmerkungen betrafen die Auswirkungsanalysen, die EFRAG im Rahmen des Übernahmesempfehlungsprozesses anfertigen wird, und die Notwendigkeit, Finanzstabilität und Wirtschaftswachstum zu berücksichtigen. Hinsichtlich seiner Pläne für die Zukunft gab er zuerst zu, dass er in seiner Rolle noch sehr neu sei und noch viel über die Arbeitsweise und Aktivitäten von EFRAG zu lernen habe. Er sagte aber auch, dass er etwas zu EFRAGs Arbeit beizutragen habe - gute Beziehungen zum EU-Parlament und zu ECON:

Sie werden nicht erstaunt sein, dass eine meiner ersten Initiativen sein wird, die Beziehung zu meinen früheren Kollegen im EU-Parlament zu verbessern. […] Ich stelle mir einen regelmäßigen Dialog vor. Dieser Dialog wird EFRAG die Möglichkeit geben, die Sichtweisen des EU-Parlaments stärker zu bedenken und dies früher im Prozess zu tun.

Und als wesentliche Botschaft hielt er fest: “Es ist wichtig, das EFRAG sicherstellt, dass die europäische Stimme beim IASB gehört wird – klar und deutlich.”

Wir danken dem EFRAG-Sekretariat, dass Vertreter von IAS Plus zu der Veranstaltung als Beobachter eingeladen waren.

Zugehörige Themen

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