IASB adressiert Bedenken in Bezug auf die unterschiedliche Zeitpunkte des Inkrafttretens von IFRS 9 und dem neuen Standard zu Versicherungen
12.09.2016
Der International Accounting Standards Board (IASB) hat 'Anwendung von IFRS 9 'Finanzinstrumente' gemeinsam mit IFRS 4 'Versicherungsverträge'' veröffentlicht. Mit den Änderungen sollen die Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens von IFRS 9 'Finanzinstrumente' und dem neuen Standard zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen adressiert werden, der innerhalb der nächsten sechs Monate als IFRS 17 erwartet wird.
Hintergrund
Da offensichtlich geworden ist, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens von IFRS 17 nicht länger in Einklang mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von IFRS 9 Finanzinstrumente gebracht werden kann, hat es Rufe gegeben, die verpflichtende Anwendung von IFRS 9 für Versicherungsaktivitäten aufzuschieben und den Zeitpunkt der Inkrafttretens von IFRS 9 für diese Aktivitäten in Einklang mit den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Standards zu Versicherungsverträgen zu bringen. Die Befürworter eines Aufschubs führten die folgenden Argumente ins Feld:
- Die unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens werden zu Bilanzierungsanomalien und Volatilität in der Gewinn- und Verlustrechnung führen, die die Adressaten von Abschlüssen möglicherweise schwer zu verstehen finden.
- Es ist schwer, Entscheidungen über die Anwendung der neuen Klassifizierungs- und Bewertungsvorschriften in IFRS 9 zu fällen, da die Entscheidungen möglicherweise von denen abweichen, die gefällt werden würden, wenn alle Details des neuen Standards zu Versicherungsverträgen bereits bekannt wären.
- Umfassende Änderungen in der Bilanzierung zweimal nacheinander in relativ kurzer Zeit vorzunehmen, kann erhebliche erhöhte Kosten und gesteigerten Aufwand bedeuten (für Ersteller und Adressaten).
Der IASB hat diese Bedenken anerkannt und nimmt daher Änderungen an IFRS 4 Versicherungsverträge vor, um den Bedenken in Bezug auf die unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens von IFRS 9 und IFRS 17 entgegenzutreten.
Änderungen
Mit Anwendung von IFRS 9 'Finanzinstrumente' gemeinsam mit IFRS 4 'Versicherungsverträge' (Änderungen an IFRS 4) werden Unternehmen, die Versicherungsverträge im Anwendungsbereich von IFRS 4 begeben, zwei Optionen eingeräumt:
- Unternehmen können einige der Aufwendungen und Erträge aus der Gewinn- und Verlustrechnung in das sonstige Gesamtergebnis umklassifizieren, die aus qualifizierenden Vermögenswerten entstehen. Dies ist der sogenannte Überlagerungsansatz.
- Unternehmen, deren vorherrschende Geschäftstätigkeit das Begeben von Versicherungsverträgen im Anwendungsbereich von IFRS 4 ist, haben die Möglichkeit eines einstweiligen Aufschubs der Anwendung von IFRS 9. Dies ist der sogenannte Aufschubansatz.
Die Anwendung beider Ansätze ist freiwillig, und es ist Unternehmen gestattet, die Anwendung aufzugeben, bevor der neue Standard zu Versicherungsverträgen herausgegeben wird.
Überlagerungsansatz. Die Änderungen, die den Überlagerungsansatz ausmachen, erlauben einem Unternehmen, Unterschiede in den Beträgen, die nach IFRS 9 in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst würden, und den Beträgen, die nach IAS 39 Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden, aus dieser herauszunehmen und stattdessen im sonstigen Gesamtergebnis auszuweisen, wenn das Unternehmen nach IFRS 4 bilanzierte Verträge begibt, IFRS 9 in Verbindung mit IFRS 4 anwendet und finanzielle Vermögenswerte nach IFRS 9 als zum beizulegenden Zeitwert mit Erfassung der Änderungen in der Gewinn- und Verlustrechnung bewertet klassifiziert, wenn diese Vermögenswerte zuvor nach IAS 39 als zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet oder als zur Veräußerung verfügbar klassifiziert wurden.
Aufschubansatz. Nach den Änderungen, die den Aufschubansatz ausmachen, ist es einem Unternehmen gestattet, IAS 39 anstelle von IFRS 9 für Berichtsperioden anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2021 beginnen, wenn es nicht zuvor schon eine der Versionen von IFRS 9 angewendet hat und seine vorrangige Geschäftstätigkeit das Begeben von Versicherungsverträgen ist, die unter IFRS 4 fallen. Ein Unternehmen ermittelt, ob seine vorrangige Geschäftstätigkeit das Begeben von Versicherungsverträgen ist, die unter IFRS 4 fallen, indem es die Schulden, die sich aus Verträgen im Anwendungsbereich von IFRS 4 ergeben, mit dem Gesamtbuchwert seiner Schulden vergleicht. Die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ist vorrangig das Begeben von Versicherungsverträgen, wenn (a) der Buchwert seiner Schulden aus Versicherungstätigkeit im Vergleich mit dem Gesamtbuchwert seiner Schulden bedeutend ist und (b) der prozentuale Anteil dieser Schulden entweder größer als 90% ist oder gleich 90% oder geringer als 90% aber höher als 80% ist und der Versicherer keiner bedeutenden anderen Geschäftstätigkeit nachgeht, die nicht in Verbindung mit Versicherungstätigkeit steht. In Zusammenhang mit dem Aufschubansatz wird auch eine temporäre Ausnahme von bestimmten Vorschriften in IAS 28 hinsichtlich einheitlicher Bilanzierungsmethoden bei Anwendung der Equity-Methode gewährt.
Abweichende Meinung
Ein Boardmitglied stimmte gegen die Veröffentlichung des Entwurfs, weil es Unternehmen, deren vorherrschende Geschäftstätigkeit Versicherungsverträge sind, keinen einstweiligen Aufschub in Bezug auf die Anwendung von IFRS 9 gewähren will. Dieses Boardmitglied argumentiert, dass der Aufschub zu einer Verringerung der Vergleichbarkeit auch zwischen Unternehmen, die Versicherungsverträge begeben, führen wird. Es erkennt die angeführten Bedenken an, ist aber der Meinung, dass der Überlagerungsansatz genügend Erleichterung gewährt und dass eine vorübergehende Ausnahme von der Anwendung von IFRS 9 überflüssig ist.
Zeitpunkt des Inkrafttretens und Angaben
Ein Unternehmen wendet den Überlagerungsansatz rückwirkend auf qualifizierende Vermögenswerte an, sobald es das erste Mal IFRS 9 anwendet. Die Anwendung des Überlagerungsansatzes erfordert die Angabe von Informationen, die Adressaten von Abschlüssen in die Lage setzen, wie der umklassifizierte Betrag in der Periode berechnet wurde und welche Auswirkungen die Umklassifizierung auf den Abschluss hätte.
Ein Unternehmen wendet den Aufschubansatz ab Berichtsperioden an, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen. Vorherrschende Geschäftstätigkeit wird auf Ebene der Berichtseinheit zu dem berichtszeitpunkt bestimmt, der dem 1. April 2016 unmittelbar vorausgeht. Die Anwendung des Ansatzes ist anzugeben ebenso wie Informationen, die Abschlussadressaten in die Lage setzen, zu verstehen, wie der Versicherer für die temporäre Ausnahme qualifiziert, und den Versicherer, den die temporäre Ausnahme anwendet, mit Unternehmen zu vergleichen, die IFRS 9 anwenden. Der Aufschubansatz ist auf drei Jahre ab 1. Januar 2018 beschränkt. Die vorherrschende Geschäftstätigkeit wird nur dann neu beurteilt, wenn es eine Veränderung in der Geschäftstätigkeit des Unternehmens gibt.
Weiterführende Informationen
Ergänzende Informationen stehen Ihnen auf der Internetseite des IASB und auf IAS Plus zur Verfügung:
- englischsprachige Presseerklärung auf der Internetseite des IASB
- IFRS fokussiert-Newsletter mit einer ausführlichen Erläuterung der Änderungen in deutscher Sprache
- IFRS in Focus-Newsletter mit einer ausführlichen Erläuterung der Änderungen in englischer Sprache
- Zusammenfassung der Projektverlaufs und der Berücksichtigung der eingegangenen Rückmeldungen
- unsere IAS Plus-Seite zum Projekt zu den unterschiedlichen Zeitpunkten des Inkrafttretens von IFRS 9 und dem neuen Standard zu Versicherungen
- Übersicht über den Stand der Übernahme in Europa
- aktualisierter EFRAG-Bericht zum Status des Übernahmeprozesses
Im Zusammenhang mit den Änderungen hat der IASB auch eine vorgeschlagene zweite Ergänzung der IFRS-Taxonomie 2016 herausgegeben, die zusätzliche Taxonomiekonzepte für die heute veröffentlichten Änderungen enthält. Weiterführende Informationen zur vorgeschlagenen Ergänzung finden Sie auf der Internetseite des IASB. Stellungnahmen werden bis zum 15. November 2016 erbeten.