Bericht über die Auswirkungen von IFRS 9 auf die Finanzstabilität
27.07.2017
Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) - als spezielles Gremium ohne eigene Rechtspersönlichkeit bei der EZB - hat einen Bericht über die Auswirkungen von IFRS 9 'Finanzinstrumente' auf die Finanzstabilität veröffentlicht. Dieser wurde durch das Europäische Parlament im Januar 2016 beauftragt.
Der Bericht analysiert im Wesentlichen die Auswirkungen der neuen Vorschriften zur Klassifizierung von Finanzinstrumenten und den neuen Wertminderungsvorschriften auf die Finanzstabilität und setzt dabei zwei Schwerpunkte:
- Ausweitung der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert von Finanzinstrumenten durch Einführung von IFRS 9 und evt. sich daraus ergebenden makroprudenziellen Auswirkungen
- Auswirkungen der Einführung der neuen Wertminderungsvorschriften von IFRS 9 auf Prozyklizität und Finanzstabilität
Wesentliche Aussagen des Berichts sind die folgenden
- IFRS 9 stellt eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu IAS 39 dar; positive Auswirkungen auf die Finanzstabilität werden insgesamt erwartet.
- Die Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten sind klarer und nachvollziehbarer und ziehen keine signifikante Erhöhung der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert nach sich.
- Neues Wertminderungsmodell:
- Dies ist die bedeutendste Änderung durch IFRS 9. Durch das Neue Wertminderungsmodell ergibt sich eine Erhöhung der Transparenz und frühzeitigere und umfassendere Erfassung von Wertminderungen; dies ergibt einen grundsätzlich positive Effekt auf die Finanzstabilität.
- Die Verwendung von zukunftsbezogenen Informationen erhöht die Rechtzeitigkeit der Erfassung von Wertminderungen.
- Das neue Wertminderungsmodell ist mit signifikanten Investitionen durch Banken hinsichtlich neuer Modelle, IT, Datenerhebung und Personal verbunden. Für Banken mit Standardansatz ist dieser Effekt größer als für Banken mit IRB-Ansatz.
- Wechselwirkung von IFRS 9 mit Bankregulierung: Die GuV-Auswirkung des neuen Wertminderungsmodells hat direkten Einfluss auf Eigenkapitalausstattung; eine Erhöhung der Wertminderungen zwischen 20% und 30% wird als Erstanwendungseffekt von IFRS 9 erwartet. Die Übergangsvorschriften für regulatorische Berücksichtigung sind zu begrüßen.
- Zu betrachtende wesentliche Aspekte aus Sicht der Finanzstabilität sind:
- Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert: Kein signifikanter Anstieg der Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert ist aufgrund von IFRS 9 zu erwarten. Daraus ergibt sich, dass keine Überarbeitung der bestehenden Regelungen zur regulatorischen Berücksichtigung von Änderungen des beizulegenden Zeitwerts erforderlich sind.
- Modellrisiken: Das neue Wertminderungsmodell bedarf umfangreicher Modelle und ist mit Schätzungsunsicherheiten und Ermessensentscheidungen verbunden.
- Die Vermeidung von Modellen mit unnötiger Komplexität ist anzuraten;
- adäquate Überwachung der verwendeten Parameter sowie Vereinfachungen ist notwendig;
- es ergibt sich die Notwendigkeit der Bereitstellung von regulatorischen Hinweisen/Regelungen zur adäquaten Anwendung von IFRS 9-Regelungen;
- Transparenz durch angemessene Angaben ist erforderlich;
- die umfassende Überwachung durch Wirtschaftsprüfer, Enforcer und Regulatoren notwendig.
- Kreditvergabepraxis: Es ist eine Anpassung der Kreditvergabepraxis (z.B. Verkürzung der Laufzeiten, Ausschluss gewisser optionaler Vertragsbestandteile) und Preiskalkulation aufgrund des neuen Wertminderungsmodells (und entsprechender Auswirkung auf Kapitalkosten) möglich.
- Prozyklizität: Bei adäquater Umsetzung trägt das neue Wertminderungsmodell zur Finanzstabilität durch höhere Transparenz und eine rechtzeitigere sowie relevantere Erfassung von Wertminderungen durch Berücksichtigung zukunftsbezogener Informationen bei. Aufgrund der Verwendung von zyklisch sensitiven Kreditrisikodaten und des sogenannten „cliff effects“ zwischen Stufe 1 und Stufe 2 könnte eine Prozyklizität vorliegen und entsprechende Volatilität in der Berechnung des Eigenkapitals nach sich ziehen. Bislang liegen jedoch keine vollumfassenden quantitativen Studien über Auswirkungen des Modells auf Zyklizität vor.
- Standardansatz und weniger komplexe Banken: Bei Verwendung des Standardansatzes ist Einführung des neuen Wertminderungsansatzes mit höherem Aufwand verbunden (im Vergleich können Banken, die den IRB-Ansatz bereits verwenden, auf bestehenden Modellen aufbauen). Langfristig könnte IFRS 9 Banken mit Standardansatz zur Einführung anspruchsvollerer Modelle zwingen oder gar zur Verwendung des IRB-Ansatzes, was jedoch langfristig negative Auswirkungen auf die Ertragskraft von kleineren Banken bewirken könnte.
- Eine umfassende Überwachung durch Wirtschaftsprüfer, Regulatoren und Enforcer sowie Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien ist notwendig.
- Die fünf analysierten Bereiche sollten ebenfalls Gegenstand des vom Europäischen Parlament beauftragten „ex post impact assessment“ (nicht später als Juni 2019) sein.
In einer Begleitveröffentlichung in der „Occasional Paper Series“ kommen die Verfasser – bei Anwendung des entwickelten Modells für ein Portfolio europäischer Unternehmensfinanzierungen - zu dem Ergebnis, dass die quantitativen Auswertungen darauf hindeuten, dass die Anwendung von Modellen mit erwarteten Kreditverlusten unter IFRS 9 dazu tendiert, die Auswirkungen von Kreditausfällen auf die GuV und CET1 Kapital – ohne Berücksichtigung eventuellen regulatorischer Anpassungen – zu Beginn einer wirtschaftlichen Abschwungphase zu konzentrieren, woraus Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Prozyklizität von IFRS 9 resultieren. Durch die Verwendung von zukunftsorientierten Informationen sind die Wertminderungen nach IFRS 9 hinsichtlich der Veränderung in wirtschaftlichen Bedingungen sensitiver.
Folgende englischsprache Informationen stehen Ihnen auf der Internetseite des ESRB zur Verfügung:
- Presseerklärung
- Bericht Financial stability implications of IFRS 9
- Begleitveröffentlichung Assessing the cyclical implications of IFRS 9 – a recursive model