IAS 37

IAS 37 Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen

 

Überblick

IAS 37 Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen behandelt die Bilanzierung von Rückstellungen (Verbindlichkeiten mit unsicherem Zeitpunkt und Betrag), Eventualforderungen (möglichen Vermögenswerten) und Eventualschulden (mögliche Verbindlichkeiten und gegenwärtige Verpflichtungen, die nicht wahrscheinlich und nicht verlässlich zu bewerten sind). Rückstellungen werden mit der besten Schätzung (einschließlich Risiken und Unsicherheiten) der Aufwendungen bewertet, die erforderlich sein werden, um die Verbindlichkeit zu erfüllen, wobei der Zeitwert des Geldes wesentlich ist.

IAS 37 wurde im September 1998 herausgegeben und ist auf Berichtsperioden anzuwenden, die am oder nach dem 1. Juli 1999 beginnen.

 

Entstehungsgeschichte von IAS 37

April 1987

Standardentwurf E59 Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen

September 1998

IAS 37 Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen

1. Juli 1999

Zeitpunkt des Inkrafttretens von IAS 37 (1998)

30. Juni 2005 Entwurf einer grundlegenden Überarbeitung von IAS 37, die aber nicht finalisiert wurde
14. Mai 2020 geändert durch Belastende Verträge — Kosten für die Erfüllung eines Vertrages (Änderungen an IAS 37)
1. Januar 2022 Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen vom Mai 2020

 

Relevante Interpretationen

 

Geplante Änderungen durch den IASB

 

Zusammenfassung von IAS 37

 

Zielsetzung

Das Ziel von IAS 37 ist es, sicherzustellen, dass angemessene Ansatzkriterien und Bewertungsgrundlagen auf Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen angewendet werden. Daneben soll sichergestellt werden, dass ausreichende Informationen im Anhang des Abschlusses offen gelegt werden, um es den Adressaten zu ermöglichen, deren Art, zeitlichen Anfall und Höhe zu verstehen. Der Standard basiert auf dem Grundsatz, dass Rückstellungen nur gebildet werden dürfen, wenn eine Schuld vorliegt, also wenn eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis besteht. Somit zielt der Standard zielt darauf ab, sicherzustellen, dass nur echte Verpflichtungen im Abschluss abgebildet werden – geplante künftige Ausgaben, selbst wenn sie durch den Vorstand oder ein ähnliches Organ genehmigt wurden, sind vom Ansatz ausgeschlossen.

 

Anwendungsbereich

IAS 37 schließt Verpflichtungen, Eventualschulden und Eventualforderungen aus, die aus folgenden Sachverhalten resultieren: [IAS 37.1]

 

Wichtige Definitionen

[IAS 37.10]

Rückstellung: Eine Schuld, die bezüglich ihrer Fälligkeit oder ihrer Höhe ungewiss ist.

Schuld: Gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereignissen der Vergangenheit entsteht, deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist (Zahlung)

Eventualschuld:

  • Eine mögliche Verpflichtung, deren Existenz durch das Eintreten oder Nichteintreten eines oder mehrerer unsicherer künftiger Ereignisse erst noch bestätigt wird, oder
  • Eine gegenwärtige Verpflichtung, bei der eine Zahlung nicht wahrscheinlich ist oder die Höhe der Verpflichtung nicht ausreichend verlässlich geschätzt werden kann.

Eventualforderung:

  • Möglicher Vermögenswert, der aus vergangenen Ereignissen resultiert, und
  • dessen Existenz durch das Eintreten oder Nichteintreten eines oder mehrerer unsicherer künftiger Ereignisse erst noch bestätigt wird, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Unternehmens stehen.

 

Ansatz einer Rückstellung

Ein Unternehmen muss eine Rückstellung ansetzen, falls, und nur falls: [IAS 37.14]

  • es aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwärtige Verpflichtung (rechtlich oder faktisch) hat (das verpflichtende Ereignis);
  • eine Zahlung wahrscheinlich (mehr Gründe dafür als dagegen) ist, und
  • die Höhe zuverlässig geschätzt werden kann.

Ein verpflichtendes Ereignis ist ein Ereignis, das eine rechtliche oder faktische Verpflichtung schafft, auf Grund derer das Unternehmen keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung hat. [IAS 37.10]

Eine faktische Verpflichtung entsteht, wenn das bisher übliche Geschäftsgebaren eine berechtigte Erwartung anderen Parteien gegenüber geweckt hat. Beispielsweise hat ein Kaufhaus (dessen Geschäftspolitik es schon seit langem ist) dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, die Waren z.B. innerhalb von 30 Tagen zurückzugeben. [IAS 37.10]

Eine mögliche Verpflichtung (Eventualschuld) ist im Anhang anzugeben, eine Rückstellung ist nicht zu bilden. Angaben im Anhang sind jedoch nicht notwendig, wenn die Zahlung unwahrscheinlich ist. [IAS 37.86]

Vereinzelt gibt es Fälle, z.B. bei einem Rechtsstreit, in denen unklar ist, ob eine gegenwärtige Verpflichtung existiert. In diesen Fällen führt ein Ereignis der Vergangenheit zu einer gegenwärtigen Verpflichtung, wenn unter Berücksichtigung aller verfügbarer substanzieller Hinweise für das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag mehr dafür als dagegen spricht. Eine Rückstellung muss für diese gegenwärtige Verpflichtung angesetzt werden, wenn die anderen oben dargestellten Ansatzkriterien erfüllt sind. Wenn mehr Gründe dafür als dagegen sprechen, dass keine gegenwärtige Verpflichtung besteht, muss das Unternehmen eine Eventualschuld angeben, außer die Möglichkeit eines Abflusses von Ressourcen ist unwahrscheinlich. [IAS 37.15]

 

Bewertung von Rückstellungen

Der als Rückstellung angesetzte Betrag stellt die bestmögliche Schätzung der Ausgabe dar, die zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag erforderlich ist. Die bestmögliche Schätzung der zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung ist der Betrag, den das Unternehmen bei vernünftiger Betrachtung zur Erfüllung der Verpflichtung zum Bilanzstichtag oder zur Übertragung der Verpflichtung auf einen Dritten zu diesem Termin zahlen müsste. [IAS 37.36] Das bedeutet:

  • Rückstellungen für einmalige Ereignisse (Restrukturierung, Beseitigung von Umweltschäden, Beilegung eines Rechtsstreits) werden zum wahrscheinlichsten Betrag angesetzt. [IAS 37.40]
  • Rückstellungen für eine große Anzahl von Ereignissen (Gewährleistung, Rückerstattungen an Kunden) werden mit dem Erwartungswert angesetzt. [IAS 37.39]
  • Beide Bewertungen werden auf den Barwert mittels eines Vorsteuer-Zinssatzes abgezinst, der die aktuellen Markterwartungen im Hinblick auf den Zinseffekt sowie die für die Schuld spezifischen Risiken widerspiegelt. [IAS 37.45 und IAS 37.47]

Bei der bestmöglichen Schätzung einer Rückstellung sind vom Unternehmen die unvermeidbar mit vielen Ereignissen und Umständen verbundenen Risiken und Unsicherheiten zu berücksichtigen. Die erwarteten Zahlungsströme sind auf ihre Barwerte abzuzinsen, wenn die Auswirkungen des Zinseffekts wesentlich sind. [IAS 37.42]

Wenn erwartet wird, dass die zur Erfüllung einer zurückgestellten Verpflichtung erforderlichen Ausgaben ganz oder teilweise von einer anderen Partei erstattet werden, ist die Erstattung nur zu erfassen, wenn es so gut wie sicher ist, dass das Unternehmen die Erstattung bei Erfüllung der Verpflichtung erhält. Die Erstattung ist als separater Vermögenswert zu behandeln. Der für die Erstattung angesetzte Betrag darf die Höhe der Rückstellung nicht übersteigen. [IAS 37.53]

Bei der Bewertung einer Rückstellung sind zukünftige Ereignisse wie folgt zu berücksichtigen:

  • Planung von begründbaren Änderungen bei der Verwendung existierender Technologien [IAS 37.48]
  • Keine Einbeziehung von möglichen Gewinnen bei Veräußerung von Vermögenswerten [IAS 37.51]
  • Berücksichtigung von Gesetzesänderungen nur, wenn die Verabschiedung der Gesetze so gut wie sicher ist [IAS 37.50]

 

Anpassungen von Rückstellungen

[IAS 37.59]:

  • Rückstellungen sind zu jedem Bilanzstichtag zu prüfen und anzupassen
  • Wenn ein Abfluss nicht mehr wahrscheinlich ist, ist die Rückstellung erfolgswirksam aufzulösen.

 

Einige Beispiele für Rückstellungen

 

Situation

Bildung einer Rückstellung?

Restrukturierung durch Verkauf eines Geschäftsbereichs

Eine Rückstellung darf erst nach Abschluss eines bindenden Kaufvertrags gebildet werden

Restrukturierung durch Stilllegung oder Umorganisation

Eine Rückstellung darf erst nach Verabschiedung und öffentlicher Ankündigung eines detaillierten formalen Plans gebildet werden. Eine Entscheidung des Vorstands reicht nicht aus

Gewährleistung

Es ist eine Rückstellung zu bilden (Ereignis in der Vergangenheit war der Verkauf von defekter Ware)

Bodenverschmutzung

Es ist eine Rückstellung zu bilden, wenn es dem Geschäftsgebaren des Unternehmens entspricht, die Verschmutzung zu beseitigen, selbst wenn es keine rechtliche Verpflichtung dazu hat (Ereignis in der Vergangenheit war die Verpflichtung und die Erwartung der Öffentlichkeit, die durch das Verhalten des Unternehmens geweckt wurde)

Rückerstattungen an Kunden

Es ist eine Rückstellung zu bilden, wenn es gebräuchliches Geschäftsgebaren ist, Rückerstattungen zu leisten (Ereignis in der Vergangenheit ist die Erwartung des Kunden im Zeitpunkt des Erwerbs, dass die Möglichkeit zur Rückerstattung besteht)

Eine Off-Shore-Bohrinsel muss beseitigt und der Meeresboden wieder hergestellt werden

Es ist eine Rückstellung bei Errichtung zu bilden, die gleichzeitig zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinzugerechnet wird

Stillgelegtes Mietgrundstück, dessen Mietdauer noch 4 Jahre beträgt

Es ist eine Rückstellung zu bilden

Eine WP-Gesellschaft muss seine Mitarbeiter weiterbilden, um sie auf den neuesten Stand aufgrund von aktuellen Änderungen im Steuerrecht zu bringen

Keine Rückstellung (es gibt keine Verpflichtung, diese Weiterbildungsmaßnahme zu ermöglichen)

Eine Warenhauskette hat bei Feuerschäden keine Versicherungsschutz

Keine Rückstellung bis zu einem tatsächlichen Brand (kein Ereignis in der Vergangenheit)

Selbstversichertes Restaurant, in dem sich die Gäste vergiftet haben; es werden Rechtsstreitigkeiten erwartet, jedoch wurden bis jetzt keine Klagen eingereicht

Es ist eine Rückstellung zu bilden (das Ereignis der Vergangenheit ist die Verletzung der Gäste)

Generalüberholung oder Großreparaturen

Keine Rückstellung (keine Verpflichtung)

Belastende (verlustbringende) Verträge

Es ist eine Rückstellung zu bilden

 

Restrukturierungsmaßnahmen

Eine Restrukturierungsmaßnahme ist: [IAS 37.70]

  • Verkauf eines Geschäftszweigs: Eine Rückstellung darf erst nach Abschluss eines bindenden Kaufvertrags gebildet werden. [IAS 37.78] Wenn der bindende Kaufvertrag erst nach dem Bilanzstichtag geschlossen wurde, sind zwar im Anhang Angaben zu machen, jedoch darf keine Rückstellung gebildet werden.
  • Stilllegung oder Umorganisation: Eine Rückstellung ist nur nach Verabschiedung und öffentlicher Ankündigung zu bilden. Eine Entscheidung des Vorstands reicht nicht aus.
  • Zukünftige betriebliche Verluste: Rückstellungen für zukünftige betriebliche Verluste dürfen selbst bei einer Restrukturierungsmaßnahme nicht gebildet werden.
  • Restrukturierungsrückstellungen (beim Unternehmenserwerb): Unter der Regelung von IAS 22 war eine Rückstellung für die Kündigung von Mitarbeiter, für die Stilllegung von Betriebsstätten und für die Einstellung von Produktlinien nur zu bilden, wenn dies bei Erwerb angekündigt wurde und nur dann, wenn ein detaillierter, formaler Plan innerhalb von 3 Monaten nach Erwerb verabschiedet wurde. Gemäß IFRS 3 ist eine Rückstellung für Restrukturierungsmaßnahmen im Zuge eines Unternehmenserwerb nur noch dann ansatzfähig, wenn diese bereits im separaten Einzelabschluss des erworbenen Unternehmens hätte angesetzt werden müssen. Es gelten hier die oben beschriebenen Ansatzkriterien.

Restrukturierungsrückstellungen dürfen nur die durch die Restrukturierung direkt verursachten Ausgaben einschließen, keine Aufwendungen, die in Zusammenhang mit den laufenden Aktivitäten des Unternehmens stehen. [IAS 37.80]

 

Gegenposition zur Rückstellungsbuchung

Wenn eine Rückstellung (Schuld) angesetzt wird, muss die Gegenbuchung nicht zwangsläufig erfolgswirksam vorzunehmen sein. In gewissen Fällen kann die Rückstellung Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Vermögenswertes werden. Beispiele: Verpflichtung zur Beseitigung von Umweltverschmutzungen, wenn eine neue Mine eröffnet oder eine Off-Shore-Bohrinsel errichtet wird. [IAS 37.8]

 

Verbrauch von Rückstellungen

Rückstellung dürfen nur für den Zweck verbraucht werden, für den sie ursprünglich gebildet wurden. Sie müssen zu jedem Bilanzstichtag überprüft und angepasst werden, um die aktuelle bestmögliche Schätzung widerzuspiegeln. Wenn es nicht länger wahrscheinlich erscheint, dass die Erfüllung der Verpflichtung einen Abfluss von Ressourcen erfordert, dann ist die Rückstellung aufzulösen. [IAS 37.61]

 

Eventualschulden

Da es ein allgemeines Interesse hinsichtlich unsicherer Schulden gibt, behandelt IAS 37 auch Eventualschulden. Der Standard schreibt vor, dass Unternehmen keine Eventualschulden ansetzen dürfen. Es sind aber Angaben im Anhang zu machen, solange die Möglichkeit eines Abflusses von Ressourcen nicht unwahrscheinlich ist. [IAS 37.86]

 

Eventualforderungen

Eventualforderungen dürfen nicht angesetzt werden – aber sie müssen im Anhang angeben werden, wenn der Zufluss von wirtschaftlichem Nutzen wahrscheinlich ist. Ist die Realisation von Erträgen jedoch so gut wie sicher, ist der betreffende Vermögenswert nicht mehr als Eventualforderung anzusehen und dessen Ansatz ist angemessen. [IAS 37.31]

 

Angaben

Überleitung für jede Gruppe von Rückstellungen: [IAS 37.84]

  • Anfangsbestand
  • Zugänge
  • Verbrauch (Beträge, die gegen die Rückstellung gebucht wurden)
  • Auflösung
  • Auswirkung des Zinseffekts
  • Endbestand

Eine Überleitung für das Vorjahr ist nicht erforderlich. [IAS 37.84]

Für jede Gruppe von Rückstellungen ist ein kurze Beschreibung anzugeben für: [IAS 37.85]

  • Art
  • zeitlichen Anfall
  • Unsicherheiten
  • Annahmen
  • Erstattungen

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